parallax background

Stories 16: Papenbrand thom Sunde

Urdolmen nahe Rerik
Stories 15: Großsteingräber von Rerik
26. März 2018
Hütter Wohld
Stories 17: Hütter Wohld
23. April 2018


Brauchtum & Glaube

Die Hansestadt Stralsund war im 15. Jahrhundert noch vollkommen von der katholischen Kirche eingenommen. Die Anzahl der Geistlichen in der Stadt betrug weit über 200 Personen, doch kann man sie nicht alle auf die selbe Stufe stellen. Die oberen Geistlichen, die vom Bischof bestellt waren, kamen zumeist aus den Patrizierfamilien und zählten somit zur aristokratischen Schicht der Stadtbewohner. Durch den reichen Kirchenbesitz und der Beteiligung an Geldgeschäften konnten sie meist ein ansehnliches Privatvermögen aufbauen. Die zahlreichen Geistlichen der unteren Schicht dagegen mussten sich mit sehr geringen Einkünften begnügen und wurden oftmals durch ihre Familien und die Bürgerschaft unterstützt - sei es durch Geld, Kleidung oder Lebensmittel.

Im Jahr 1407 gerieten die Stralsunder mit dem ranghöchsten Geistlichen, Kord Bonow, in einen schweren Streit. Was genau der Auslöser für diesen Streit war, lässt sich nicht vollends rekapitulieren. Unzweifelhaft steht aber fest, dass Kord Bonows Zorn sich aus verringerten Geldeinkünften gebildet hatte. Um diesem Zorn Luft zu machen, mobilisierte er seine adligen Verwandten und Freunde aus der Umgebung und plante mit ihnen einen Angriff auf die Bürgerschaft. Am 06. Oktober 1407 erschien er an der Spitze von 300 bis 400 bewaffneten Kriegern vor den Mauern der Stadt. Natürlich konnten er und seine Männer nicht dem stark befestigten Stralsund beileibe rücken. Stattdessen attackierten sie, was offen und ungeschützt vor ihnen lag. Sie raubten zunächst die vor den Stadttoren weidenden Kühe sowie andere Nutztiere und begannen dann systematisch die Stralsunder Landbesitzungen mit Plünderungen, Mord und Brand heimzusuchen. Landarbeiter, die sich nicht rechtzeitig retten konnten, verbrannten in den Häusern oder wurden von Bonows Leuten gefangengenommen und grausam verstümmelt. Die Stralsunder waren von diesem Überfall derart überrascht, dass die Mordbande unbehelligt abziehen konnte.

Als am nächsten Tag das Ausmaß der Greueltaten bekannt wurde, setzte eine unglaubliche Empörung in der Bürgerschaft ein. Eine große Menschenmenge zog vor die Wohnungen der Geistlichen, holte sie heraus und führte sie gefesselt vor das Gericht. Als Kläger trat Hans Kramer auf, der die Gefangenen als Mittäter von Kord Bonow beschuldigte und als Vergeltung den Tod auf dem Scheiterhaufen forderte. Die Richter weigerten sich diesen Richtspruch zu verhängen und beriefen sich darauf, dass Geistliche nur von geistlichen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können. Die aufgebrachte Menge ließ sich dadurch nicht beruhigen und trieb die Gefangenen in ein Haus am Neuen Markt mit der Absicht das Haus mitsamt der Geistlichen zu verbrennen. Der Rat konnte dieses Vorhaben abwenden und argumentierte das die Brandlegung eine Gefahr für die gesamte Stadt wäre und außerdem Unschuldige unter den Gefangenen wären. Die empörten Stralsunder zeigten sich demgegenüber einsichtig, aber ihre Wut war noch nicht vergangen. Drei besonders schwer belastete Geistliche wurden abgesondert, weil sie als Mitwisser und Unterstützer der Pläne Kord Bonows angesehen wurden. Man band sie auf Leitern und verbrannte sie auf einem großen Scheiterhaufen auf dem Neuen Markt. Die anderen Gefangenen wurden aus der Stadt gejagt.

Der Papenbrand thom Sunde erregte ein weithin großes Aufsehen. Bischof Rudolf von Schwerin sah in der Verbrennung der Geistlichen ein schweres Verbrechen gegen die katholische Kirche, das es mit aller Strenge zu ahnden galt. Er verkündete den Bann gegen Bürgermeister, Rat und alle Einwohner von Stralsund. Zusätzlich verbot er jede gottesdienstliche Handlung in der Stadt und erklärte alle Stralsunder für ehrlos und unwürdig. Das Verhalten von Kord Bonow fand in seinen Verkündigungen keine Erwähnung. Der Stralsunder Rat scheiterte an einem Vergleich mit dem Bischof und wandte sich daraufhin direkt an den Papst. Im 15. Jahrhundert gab es drei Päpste gleichzeitig, die sich einen erbitterten Kampf lieferten und dafür sehr viel Geld benötigten. Der Rat nahm Kontakt mit Papst Gregor XII. auf und erreichte - gegen Bezahlung einer sehr hohen Summe - einen günstigen Urteilsspruch. Bischof Rudolf von Schwerin war jedoch weit davon entfernt sich dem Spruch des Papstes zu fügen, sondern verschärfte seine früheren Maßregeln noch weiter. Da die Macht des Bischofs und die raubende Bande um Kord Bonow eine große Gefahr für die Stadt darstellten, gab der Rat nach. 1409 kam Rudolf selbst nach Stralsund und verfügte, dass an der Stelle des Scheiterhaufens ein großes steinernes Sühnekreuz aufgestellt wird. Außerdem wurde eine Kapelle neben der Marienkirche errichtet. Für seine eigenen Bemühungen bei der Neueinweihung von Kirchen, Friedhöfen und Altären verlangte der Bischof zusätzlich 1500 Mark für sich selbst. Die Schmach sollte damit aber noch kein Ende haben. Bischof Rudolf von Schwerin würdigte den Urheber des Streites Kord Bonow mit einem besonderen Amt und verbesserte damit seine Stellung in der Stadt. Wieder entflammte der Streit und zog sich durch alle Instanzen. 1416 wurde er zum Nachteil der Stadt endgültig beigelegt.

Die Geschichte des Papenbrandes thom Sunde zeigt mit eindringender Deutlichkeit, wie weit die innere Fäulnis der katholischen Kirche Anfang des 15. Jahrhunderts vorangeschritten war. Das ihre Macht im Volk angesichts solcher Zustände unweigerlich schwinden musste, kann an diesem Beispiel bewiesen werden. Aber trotzdem war sie als Institution stark genug eine so bedeutende Stadt wie Stralsund wider allen Rechts zu demütigen.