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Wissenschaft

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in weiten Teilen des europäischen Bürgertums eine Leidenschaft für die Zeit des mystischen Mittelalters und der Geschichte der eigenen Heimat. Die Zugpferde dieser Bewegung waren meist einzelne Wissenschaftler, die sich der prähistorischen Archäologie, der Bau- und Kunstdenkmalpflege sowie der historischen Forschung widmeten. Hauptaufgabengebiet war das Ordnen und Auswerten der Archive und antiquarischen Sammlungen, der Erhalt und die Nutzung von Denkmälern und damit die Etablierung von öffentlichen Museen, Forschungseinrichtungen sowie Denkmalschutzbehörden. Im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin war es Friedrich Lisch, der die Rolle des ehrgeizigen sowie vielseitig interessierten Wissenschaftlers einnahm und mit seiner Arbeit im herzoglichen, geheimen Archiv einen Höhepunkt in der hiesigen Heimatforschung herbeiführte.

„Die meisten bedeutenden Forschungen unserer Zeit sind unmittelbar den Schätzen unserer Archive entnommen. Diese Schätze zu heben, ist nur den Männern gegönnt, welche am Ort der Archive mit hinlänglich reicher Muße und der nötigen diplomatischen Ausrüstung wohnen. Historische Forschung kann nur durch den Abdruck der Quellen allgemein angeregt werden. Aber gerade hierfür ist in den neuen Zeiten fast nichts getan …“ (Zitat: Friedrich Lisch).

Kurz nach der Bestellung ins Archiv im Jahre 1834, erhielt Lisch den Auftrag, die großherzogliche Altertümersammlung in Ludwigslust neu zuordnen und die Fundstücke in einer Veröffentlichung zu präsentieren. 1837 vollendete er den Sammlungskatalog „Friderico-Francisceum“, der die Grabfunde aus der altgermanischen und slawischen Zeit Mecklenburgs in Bild und Text akribisch beschreibt. Die Arbeit am „Friderico-Francisceum“ führte ihn zu seiner größten Erkenntnis - dem Dreiperiodensystem zur chronologischen Klassifizierung der Fundstücke. Bei der Untersuchung von Gräbern und ihrer Grabbeigaben stieß Lisch auf folgenden Gegebenheiten: Während Hünengräber stets Feuersteinwerkzeuge beinhalteten, fand er in den germanischen Kegelgräbern vorwiegend bronzene Beigaben und schlussendlich auf den Wendenkirchhöfen Gegenstände aus Eisen vor. Aus den verschiedenen Materialien leitete er das Dreiperiodensystem, bestehend aus Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit, ab. Die Entwicklung dieses Systems teilt sich Friedrich Lisch mit dem Dänen Christian Thomsen und dem Salzwedeler Gymnasiallehrer Johann Friedrich Danneil, die unabhängig voneinander den gleichen Gedanken hatten und ihr Schaffen miteinander teilten und kritisch diskutierten.

Neben dem „Friderico-Francisceum“, erarbeitete Lisch außerdem eine ausführliche Urkundensammlung der vergangenen Jahrhunderte, ein populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel „Mecklenburg in Bildern“ sowie über 1700 Beiträge zu seinen Forschungen. Veröffentlicht wurden seine Ergebnisse oftmals im Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Bereits im April 1835 hatte Lisch zusammen mit dem Pastor Albrecht Bartsch den Verein gegründet und folgte damit dem allgemeinen Trend zur Schaffung regionaler Geschichtsvereine. Am 27. Dezember 1852 wurde Lisch zum „Konservator der historischen Kunstdenkmäler in den Domänen“ berufen. Damit einher gingen baugeschichtliche und konservatorische Studien zu Schloß und Dom in Schwerin, zur Klosterkirche in Doberan sowie zu etlichen Stadt- und Dorfkirchen im ganzen Land. Seine Expertise nutzte er um die Restaurierung anzuleiten und die Denkmalpflege zu gewährleisten.

In den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts war Lisch auf dem Höhepunkt seines Wirkens. Er beschäftigte sich mit einer unglaublichen Vielzahl von Themen, besetzte eine große Zahl an Ämtern und bestimmte den Diskurs mit seinem universellen Wissen und seiner wissenschaftlichen Autorität. Am 15. Mai 1879 bat Friedrich Lisch um seine Entlassung aus dem Archivamt. Über 50 Jahre hatte er in seiner Position gearbeitet und war nun mit 78 Jahren müde geworden. Seine Ämter übernahmen der Archivar Hermann Grotefeind, der Archäologe Robert Beltz und der Kunsthistoriker Friedrich Schlie. Das von da an drei Personen nötig waren um die Lücke zu schließen, zeigt mit wie viel Eifer Friedrich Lisch seiner Arbeit nachgegangen war. 4 Jahre später am 22. September 1883 starb Mecklenburgs Humboldt in seiner Wahlheimat Schwerin.